Vor einigen Tagen hat mir ein Geschäftsfreund einen Artikel aus dem manager magazin geschickt. Dieser trug den Titel „Wer will noch Chef werden?“, den ich auch für diesen Blog verwendet habe.
In diesem Text geht es darum, dass immer mehr junge und talentierte Leute es leid sind, ihre privaten Interessen hinter die beruflichen zu stellen und deshalb die „Teilnahme am klassischen hierarchischen Auswahlprozess“ ablehnen. Passend dazu veranstalteten die Wirtschaftsjunioren des Saarlandes diese Woche eine Podiumsveranstaltung zum Thema „Karriere in Teilzeit“.
Mir war das Problem in dieser Härte nicht bewusst. Offensichtlich gibt es eine immer größere Anzahl an Karriereverweigerern. Man möchte lieber fachlich weiterkommen als Personal zu führen. Die Bankerlegende Herrhausen hat einmal gesagt „Führen muss man auch wollen!“. Offensichtlich wollen aber nicht mehr so viele.
Woran kann das liegen? Ich habe dazu einmal unsere jungen Berater, aber auch unsere studentischen Mitarbeiter befragt. Einige Aussagen deckten sich mit den Schlussfolgerungen des gelesenen Artikels. Gerade bei denjenigen, deren Eltern schon eine „Bilderbuchkarriere“ hingelegt haben, scheint der Wille in eine Führungsposition zu kommen nicht mehr ganz so hoch zu sein. Wie will man den Vater auch toppen? Will man das überhaupt angesichts der vielen Stunden, die dieser nicht zu Hause, sondern im Büro war? Man hat doch am eigenen Leib erfahren, welche Auswirkungen das auf das Familienleben hatte! Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man, trotz Anstrengung, so weit kommt wie der Vater?
Ein Mitarbeiter hat mir gesagt, dass er sich die Masse an Karriereverweigerern damit erklärt, dass die Eltern noch in einer Zeit aufgewachsen sind, als man materiellen Mangel verspürte. Man wollte sich etwas leisten können. Inzwischen aber kann man sich auch mit einem Durchschnittseinkommen ein iPhone leisten und ein kleines Häuschen bauen. Und erben wird man sowieso einmal. Warum solle man dann auf dem Zahnfleisch gehen und nur noch arbeiten? Mehr als Essen und Trinken kann man auch nicht. Vielleicht wäre der Wein, den man trinkt eine Ecke teurer. Aber braucht man das wirklich?
Interessant ist, dass der Artikel insbesondere auf Absolventen von Top-Universitäten und auf Top-Nachwuchskräfte in Konzernen eingeht. Hier hat man offensichtlich festgestellt, dass gerade die Talentiertesten den klassischen Weg verweigern. Es ist also nicht die zweite Reihe, die nicht in die erste will, es ist die erste Reihe, die lieber in der zweiten bleibt oder dorthin zurück will.
Das stimmt mich, angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels in Deutschland, nachdenklich. Wie soll man als Unternehmen darauf reagieren?
Wichtig ist aus meiner Sicht heraus, dass man sich Gedanken darüber macht, ob das Ansehen eines Mitarbeiters langfristig an der Hierarchie festzumachen ist oder nicht auch eine Fachkarriere ohne Führungsverantwortung äquivalent zu betrachten ist.
Im Vertrieb gibt es dieses Modell auch schon sehr lange: Ein Key Account Manager betreut eine Gruppe an Top-Kunden, hat keine Führungs-, dafür aber eine hohe Ergebnisverantwortung. Daher verdient er mindestens ähnlich gut wie ein Verkaufsleiter und ist diesem, innerhalb des Unternehmens, sowohl vom Ansehen, als auch hinsichtlich möglicher Dienstwagenregelungen gleichgestellt.
Wenn gerade unter den talentiertesten Mitarbeitern einige nicht den Führungsdruck spüren wollen, sollte man darüber nachdenken, wie man in seinem Unternehmen das Ansehen der Fachleute steigern kann. Insbesondere im Mittelstand definiert sich die Stellung im Unternehmen oftmals über die Anzahl an Mitarbeitern, die man in „seinem“ Bereich hat.
Kann man hier nicht auch den absoluten Spezialisten hochheben? Welche Möglichkeiten gibt es diesbezüglich?
Überhaupt stellt sich mir die Frage, wie man Mitarbeiter einen Anreiz bieten kann, Leistung zu erbringen, wenn der klassische Karrierepfad für diese nicht interessant ist. Was motiviert diese Menschen? Was sind deren Beweggründe?
Interessant an dem Artikel war, dass Karriereverweigerer am Ende gar nicht unbedingt weniger arbeiten. Sie wollen nur anders arbeiten. Freier in ihrer Zeiteinteilung, ergebnis- und nicht zeitorientiertes Arbeiten usw.. Alles Dinge, die ich hier in unterschiedlichsten Beiträgen schon mal vereinzelt erwähnt habe.
Offensichtlich haben wir als Entscheider in diesem Bereich in Zukunft mehr Aufgaben, als wir derzeit denken! Was meinen Sie?
Herzliche Grüße
Heiko Banaszak