Kann man auch als Angestellter eine unternehmerische Einstellung haben?

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Ich wurde vor ein paar Tagen bei einem Kunden in den Besprechungsraum gebeten. Die Sekretärin sagte, ich solle schon einmal Platz nehmen, mein Gesprächspartner käme gleich. Ich nahm also Platz und wartete. Als mein Gesprächspartner den Raum betrat, war er leicht irritiert. Ich säße auf „seinem“ Sitzplatz, aber das sei egal.

Später im Auto, dachte ich an einen Workshop, den wir vor ein paar Jahren mit unseren Mitarbeitern hatten. Das Thema war „psychologisches Eigentum“ oder vereinfacht ausgedrückt die Frage, ob man auch als Angestellter von „seinem“ Unternehmen sprechen und so fühlen könne.

Der Personalchef fühlte wohl bei dem Stuhl im Besprechungsraum so. Es war sein Stuhl, ohne, dass ihm dieser wirklich physisch gehörte. Empfindet er aber so auch über „sein“ Unternehmen oder ist dieses Unternehmen einfach nur sein derzeitiger Arbeitgeber?

Gerade in Zeiten zunehmender Fluktuation und kürzer werdenden Unternehmenszugehörigkeitszeiten stehen immer mehr Unternehmen vor der Fragestellung, wie sie es schaffen können, dass Mitarbeiter sich „ihrem Unternehmen“ gegenüber verbunden fühlen.

Erreicht man das wirklich über sogenannte Mitarbeiterbindungs- oder Retentionsprogramme?

Ich denke, dass man die psychologische Bindung nicht über Geld, Altersvorsorgeprogramme oder sonstige Instrumente hinbekommt; Bindung entsteht dadurch, dass man sich einer Gruppe zugehörig fühlt, also eine soziale Bindung eingeht. Schaut man einmal bei Wikipedia nach, so findet man als Begriffsdefinition Folgendes: „Als soziale Beziehung (auch zwischenmenschliche Beziehung) bezeichnet man in der Soziologie eine Beziehung von zwei Personen oder Gruppen, bei denen ihr Denken, Handeln oder Fühlen gegenseitig aufeinander bezogen ist.“ (Quelle: Wikipedia)

Doch wie entstehen diese Beziehungen und wie bleiben sie dauerhaft beständig? Im Grunde kann man sich das wie bei einem Bankkonto vorstellen. Sie eröffnen bei einem Geldinstitut ein Konto und erhalten einen Dispokredit. Wenn Sie aber permanent nur abheben, dann funktioniert das dauerhaft nicht. Irgendwann kommen Sie an Ihre Dispogrenze und dann schiebt Ihr Geschäftspartner dem Ganzen einen Riegel vor.

Ähnlich kann man das auch bei Unternehmen und deren Mitarbeiter sehen. Da gibt es Unternehmen, die selbst ohne Skrupel Standorte schließen oder verlagern, sich aber andererseits über opportunistische Mitarbeiter beschweren, die das Unternehmen verlassen, wenn sie ein besseres Angebot von einer anderen Firma erhalten. Andererseits gibt es auch Mitarbeiter, die keinen Handschlag mehr machen als in ihrem Arbeitsvertrag steht und sich dann wundern, wenn ein Unternehmen sie in Krisenzeiten als erstes freisetzt.

Vielmehr entsteht eine soziale Beziehung – wie in der Definition beschrieben – wenn das Denken, Handeln und Fühlen aufeinander bezogen ist. Ist es das, dann entsteht unter besonderer Konstellation auch das Gefühl von psychologischem Eigentum.

Wie aber schafft man es, dass ein Mitarbeiter sagt, „Das hier ist mein Unternehmen!“ und dadurch auch so handelt als sei es wirklich „seins“?

Ernst&Young (Quelle: Ernst&Young, Psychologisches Eigentum: Wie aus Mitarbeitern Mitunternehmer werden) hat das einmal untersucht und kam dabei zu folgendem Ergebnis:

Grundlage für die Entstehung von psychologischem Eigentum sind 5 Punkte:

  1. Verteilungsgerechtigkeit

Unter Verteilungsgerechtigkeit versteht die Studie die Einschätzung eines Individuums, ob beispielsweise das Gehalt oder eventuelle Beförderungen als fair empfunden werden.

  1. Prozessgerechtigkeit

Ob ein Prozess als gerecht empfunden wird, hängt nicht vom konkreten Ergebnis, wie beispielsweise der Gehaltshöhe oder der tatsächlich erfolgten Beförderung ab. Die Prozessgerechtigkeit bezieht sich auf den Prozess oder das Verfahren, wodurch man zu einem bestimmten Ergebnis gelangt ist. In einem Unternehmen kann ein internes Auswahlverfahren beispielsweise als gerecht empfunden werden, auch wenn man mit dem tatsächlichen Stelleninhaber nicht einverstanden ist.

  1. Informationsgerechtigkeit

Ob sich das Gefühl der Informationsgerechtigkeit einstellt, hängt von der Menge und der Qualität der Informationen ab, die ein Mitarbeiter im Rahmen eines Entscheidungsprozesses und in Bezug auf das Ergebnis eines Prozesses erhält.

  1. Interpersonelle Gerechtigkeit

Grundlagen für das Gefühl der interpersonellen Gerechtigkeit sind Faktoren wie Ehrlichkeit, Vertrauen und Freundlichkeit. Die interpersonelle Gerechtigkeit zeigt sich beispielsweise darin, wie menschlich mit den Mitarbeitern beispielsweise bei Leistungsbeurteilungen und Beförderungen umgegangen wird. Wird ihm auch ein „Nein!“ menschlich erläutert, sodass beim Mitarbeiter trotz allem Wertschätzung ankommt.

  1. Gefühlte Kontrolle

Die Studie hat eindeutig gezeigt: Je mehr ein Mitarbeiter empfindet, dass er das Unternehmen als Ganzes beeinflussen und kontrollieren kann, desto mehr fühlt er sich als Eigentümer. Die gefühlte Kontrolle über das Unternehmen ist demnach ein zentraler Einflussfaktor auf das psychologische Eigentum. Das bedeutet allerdings auch, dass es gerade bei den Mitarbeitern der unteren Stufe wichtig ist, dass diese ihre Arbeit als wirklich entscheidend für das Unternehmen empfinden.

Insbesondere der letzte Punkt wird von all denjenigen Chefs missachtet, die glauben, sie seien etwas Besseres und wichtiger für das Unternehmen, nur weil sie mehr Geld verdienen und in der Hierarchie weiter oben stehen. Jeder ist wichtig. Jeder an seinem Platz und ganz wichtig: jeder für das Ganze.

Dieses Gefühl muss sich bei einem Mitarbeiter einstellen, damit dieser das Unternehmen als „seins“ empfindet. Viele Konzerne hatten einmal eine enorme Loyalität unter den Mitarbeitern. VW ist hierfür ein schönes Beispiel. Was glauben Sie, wie sehr sich die Mitarbeiter dem Unternehmen heute noch verbunden fühlen, wenn sie wissen, dass die Manager, die große Fehler gemacht haben, immer noch auf Millionenboni bestehen (Verteilungsgerechtigkeit), wenn Mitarbeiter der unteren Hierarchien geopfert werden, obwohl viele wissen, dass eigentlich die oberen Ebenen die Schuld tragen (Prozessgerechtigkeit), wenn Mitarbeiter aus der Presse erfahren, was Stand der Dinge ist und nicht vom Unternehmen (Informationsgerechtigkeit), wenn Mitarbeitern misstraut anstatt vertraut wird (interpersonelle Gerechtigkeit) und wenn die Distanz zwischen Management und Shopfloor von Jahr zu Jahr größer wird (gefühlte Kontrolle)?

Wie sieht das in Ihrem Unternehmen aus? Stellt sich bei Ihren Mitarbeitern das Gefühl von psychologischem Eigentum nicht nur beim Stuhl im Besprechungszimmer oder beim Mobiltelefon ein?

Mir hat die erneute Beschäftigung mit dem Thema einige Denkanstöße für unsere Zusammenarbeit gegeben. Ihnen auch? Lassen Sie es mich wie immer wissen!

Herzliche Grüße

Heiko Banaszak