„Stimmt nicht! Effizienz ist das Stichwort!“ sagen Sie? Dann sollten Sie einmal einen Blickin die Natur werfen. Uns Menschen gäbe es heute nicht, wenn die Natur nicht Verschwendung betrieben hätte.
Evolution stammt vom lateinischen Wort „evolvere“ ab und hat unter anderem die Bedeutung von „entwickeln“. Die Natur entwickelt sich seit Jahrmillionen weiter. Einige Lebewesen oder Pflanzen haben den Sprung über die Jahre geschafft, einige sind auf der Strecke geblieben.
Ähnlich geht es auch vielen Unternehmen. Alle streben an, über Jahre hinweg erfolgreich zu sein. Einige schaffen es, einige schaffen es nicht. Gelten die Gesetze der Natur auch für Unternehmen? Kann man Muster erkennen, die sowohl in der Natur als auch bei Unternehmen über Erfolg oder Misserfolg entscheiden?
Ich meine eindeutig: „Ja!“ – Und das Prinzip heißt: „gesteuerte Verschwendung!“
Warum soll im weiteren Verlauf erläutert werden.
Alles auf dieser Welt durchläuft einen Evolutionsprozess. Charles Darwin sorgte mit seinem 1859 veröffentlichten Buch „The origin of species“ für die Akzeptanz der These, dass Evolution auf natürlicher Selektion beruht. Zu natürlicher Selektion kommt es, weil Individuen mit Merkmalen, die für das Überleben wichtig sind oder bei der Fortpflanzung Vorteile bieten, mehr Nachwuchs produzieren können als Individuen ohne solche Merkmale. Dadurch werden mehr dieser vorteilhaften Merkmale in die nächste Generation übertragen. Dies führt dazu, dass im Laufe der Zeit die vorteilhaften Merkmale überwiegen und nicht vorteilhafte „aussterben“.
Wie aber überhaupt kommt es zu unterschiedlichen Merkmalen? In der Natur sorgt eine ungesteuerte Mutation dafür. Bestimmte Merkmale verändern sich einfach und dann setzt der Prozess der Selektion ein.
Die Merkmale, die als vorteilhaft erkannt werden, werden retardiert, also bewahrt und zwar solange, wie sie sinnvoll sind.
Welche Rückschlüsse lassen sich dadurch auf Unternehmen ziehen? Unternehmen müssen mit Sicherheit einen festen und gesunden Stamm haben. An den Ästen jedoch sollten sie dafür sorgen, dass Variation stattfindet. Man muss Sachen auch mal ausprobieren können. Nur so bilden sich Merkmale heraus, die das eigene Unternehmen anderen Unternehmen überlegen machen.
Dazu ist wichtig, dass man den Unterschied zwischen Effektivität und Effizienz kennt. Effektivität ist das Maß der Zielerreichung. Es legt fest, ob wir „die richtigen Dinge“ tun. Effizienz im Gegensatz dazu ist ein Maß der Wirtschaftlichkeit. Es legt fest, ob wir „die Dinge, die wir tun, richtig tun“.
Es gibt nichts Verlässlicheres als den Wandel. Deshalb sollte sich ein Unternehmen immer wieder hinsichtlich der Effektivität überprüfen. Manchmal wandelt sich die Zeit und plötzlich ist ein Produktionsverfahren einfach von heute auf morgen veraltet. Wenn ich versuche innerhalb dieses Produktionsverfahrens an der Effizienz zu arbeiten, dann hilft mir das im Wettbewerb nicht. Andere Unternehmen sind einfach mit dem neuen Produktionsverfahren viel wirtschaftlicher, obwohl dieses hinsichtlich seiner Effizienz noch gar nicht voll ausgeschöpft ist.
Deshalb plädiert dieser Artikel dafür, an manchen Stellen des Unternehmens Verschwendung zuzulassen und bewusst ineffizient zu sein. Nur so kann man gewährleisten, auch in Zukunft effektiv zu sein.
Man sollte also ganz bewusst darüber nachdenken, in welchen Abteilungen man ein Effizienzdiktat herausgibt und in welchen man bewusst nur die Effektivität in den Mittelpunkt rückt. Manchmal ist es auch notwendig, zwischen den einzelnen Hierarchieebenen zu differenzieren.
Der Debitorenbuchhalter muss möglichst effizient sein, d. h. er muss so buchen, dass er möglichst viele Buchungsvorgänge innerhalb seiner Arbeitszeit bewältigt. Die Leiterin der Buchhaltung muss dafür im Gegenzug auch abwägen, welches Programm sie einsetzt und was die gängige Rechtsprechung sagt. Sie muss also an der Effektivität gemessen werden.
Manche Unternehmen binden jedoch ihre Führungskräfte so stark in das operative Geschäft ein, dass diese sehr effizient arbeiten, jedoch keine Luft mehr haben, nach effektiven Methoden Ausschau zu halten.
Die anfängliche Fragestellung, ob man etwas aus der Natur lernen kann, wird demnach mit einem „Ja“ beantwortet. Ein Fisch stößt mit dem Laichen mehrere tausend Eier aus und hofft darauf, dass einige befruchtet werden und daraus Nachkommen entstehen.
Ähnlich sollte auch ein Unternehmen vorgehen. Man sollte in einigen Abteilungen oder einige Personen von der Verpflichtung zu effizientem Arbeiten freistellen und sie stattdessen an der Effektivität des Unternehmens arbeiten lassen.
Manchmal muss sich auch der Chef die Zeit dafür nehmen. Ein Chef der behauptet „Ich habe keine Zeit mehr, mir strategische Gedanken zu machen, weil mich das operative Geschäft auffrisst“ braucht keine Angst zu haben. Es wird nicht das operative Geschäft sein, das ihn auffrisst, sondern der Wettbewerb.
Es lebe die Evolutionstheorie – oder was meinen Sie?
Lassen Sie es mich wissen!
Ihr
Heiko Banaszak