Ich habe letzte Woche einen interessanten Link von einem Freund bekommen. Das Thema des dazugehörigen Artikels war obige Fragestellung. Er wollte wissen, wie ich das sehe und meinte, das sei doch auch ein gutes Blogthema. Das finde ich auch.
Meine Meinung zu dem Thema ist sehr differenziert. Ich denke, dass jeder Mitarbeiter eine solide Basis braucht, auf die er seine berufliche Zukunft aufbauen kann. Jeder läuft bei seiner Arbeit bildlich gesprochen irgendwann einmal gegen eine Wand und muss entscheiden können, ob es in dem konkreten Fall einen Weg rechts herum, links herum oder vielleicht darüber hinweg gibt. Das Wissen darüber wird oft durch Theorien begründet, die man irgendwann einmal an der Universität gelernt hat. Das spricht für ein klares „Ja!“ auf die obige Frage.
Ein anderes Beispiel, das in die gegenläufige Richtung deutet: Im IT-Bereich klagen mir oft ältere Führungskräfte, dass die jüngeren Studienabsolventen heute wenig Grundlagenwissen hätten, dafür aber über sehr großes Detailwissen verfügen. Stießen diese an Grenzen, dann fehle ihnen oft das Wissen, auf welcher Basis die Programme aufbauen, die sie vielleicht sogar intuitiv benutzen. Das behindere manchmal das Finden einer simplen Lösung. Hier hätte vielleicht ein „Selbstbeibringen“ mit dem Startpunkt „Kabel ziehen“ durchaus Vorteile.
Viele Vorteile, die ein Studium mit sich bringt wurden durch den Bolognaprozess meiner Meinung nach untergraben. Indem man sich europaweiten Standards unterworfen hat und in vielen Studiengängen Bachelor- und Masterabschlüsse einführte, wurde vieles „verschulicht“. Feste Stundenpläne, wenig Freiraum und gesteuerte Praktika schränken den Geist vieler Studenten ein. Die Studenten erhalten mit 22 ihren ersten Abschluss und haben das freie Denken, das man heute in vielen Jobs braucht, nie wirklich gelernt.
Als Alternative bauen viele Unternehmen auf Studenten der Berufsakademien. Diese erhalten einen Studienplatz und gleichzeitig einen Arbeitsplatz im jeweiligen Unternehmen. So erlernen sie die Grundlagen an der BA und das unternehmensspezifische Wissen im Unternehmen. 3 Monate studieren, 3 Monate arbeiten und das 3 Jahre lang.
Für mich ist das aber mehr als eine sehr gute Ausbildung für hochschulreife junge Menschen. Mit dem, was ich in meinem Studium kennengelernt habe, hat das wenig zu tun. Wichtige Dinge habe ich nämlich nicht in den Vorlesungen, sondern in den Aktivitäten daneben gelernt. Dennoch finde ich, die Berufsakademie mit einem gut strukturierten internen Programm, das auch viele Freiräume zulässt, eine prima Sache. Man darf die Leute während der internen Arbeiten nicht als „vollwertige Mitarbeiter“ sehen, sollte sie aber trotzdem mit verantwortungsvollen Aufgaben betreuen. Ich empfehle hier, die interne Zeit als eine Art „Fallstudie“ zu sehen. Nehmen Sie die Personen unter Ihre Fittiche und lassen Sie sie strategisch denken. Das gilt es nämlich zu erlernen, um später zu einem herausragenden Mitarbeiter zu werden.
Also, was kann man als Unternehmer bzw. Personalverantwortlicher noch tun? Einem jungen Menschen eine Ausbildung anbieten und ihn dann im Unternehmen entwickeln. Das klappt aus meiner Sicht sehr gut, wenn die Person die Richtige ist. Ist der Schüler aber sehr clever, dann wird er in der Berufsschule merken, dass er den Stoff ganz leicht beherrscht. Hier wird ihm definitiv die Herausforderung fehlen. Deshalb wird bei ihm – in 95 Prozent aller Fälle – der Wunsch reifen, doch noch zu studieren. Dann hat man investiert, aber der Top-Mitarbeiter ist plötzlich für 3 Jahre – im besten Fall – nur noch in den Semesterferien oder als studentischer Mitarbeiter einsetzbar.
Eine Idee wäre, einem Mitarbeiter eine Chance zu geben, der in einem anderen Unternehmen eine Ausbildung gemacht hat und jetzt weiterkommen will. Gerade in Unternehmen mit starren Tarifstrukturen kommen diese Personen irgendwann nicht mehr weiter und werden gehaltlich von Mitarbeitern überholt, die zwar nicht so gut sind, dafür aber über ein Studium verfügen. Solange diese noch nicht frustriert sind, sondern sich noch gegen das System auflehnen wollen, sollten Sie zuschlagen und Ihnen in Ihrem Unternehmen eine Chance geben. Was es dann aber braucht, ist ein guter Personalentwicklungsplan mit klaren Zielsetzungen.
Sollte man auch Studienabbrecher einstellen? Das können Sie gerne tun, jedoch machen Sie sich bewusst: Diese Person hat ihr Studium nicht beendet! Lag es am Fleiß? Wenn das der Grund war, lassen sie die Finger davon! Wer im Alter von 20 nicht verstanden hat, wann es Zeit ist, zu sähen, um später ernten zu können, wird das auch mit 25 noch nicht verstanden haben.
Um nochmal auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: „Nein, ein Studium ist nicht notwendig, schadet aber auch nicht!“. Ich denke, dass eine klare Beantwortung nur vor dem Hintergrund der jeweiligen Person zu beurteilen ist. Hier sollte man jedoch offen sein und sich nicht von Vorurteilen leiten lassen. Ich gehe jede Wette ein, dass es nahezu für jeden Job auch potenzielle Mitarbeiter ohne Studium gibt, die besser sind als manche Mitarbeiter mit akademischer Ausbildung.
Wie ist Ihre Meinung? Lassen Sie es mich wie immer wissen!
Herzliche Grüße
Heiko Banaszak