Mir wurde von einem meiner Kunden ein sehr interessantes Gespräch erzählt. Vor ihm saß ein türkisch-stämmiger Bewerber auf einen Arbeitsplatz im mittleren Management seines Unternehmens. Beim Blick auf den Lebenslauf sagte mein Kunde: „Oh! Sie sind in Instanbul geboren!?“. Die Reaktion des Kandidaten darauf hin war es, sich zunächst für seinen Geburtsort zu rechtfertigen und irgendwelche fiktiven Vorurteile aus der Welt zu räumen.
Die Aussage meines Kunden war aber keinesfalls so gedacht. Er fand es einfach nur interessant, weil er Istanbul so schön findet. Da zeigt sich, was Vorurteile in der Kommunikation auslösen können. Hier im konkreten Fall waren die Vorurteile jedoch auf Kandidatenseite. Er ging davon aus, dass man seinen Geburtsort als Makel im Hinblick auf die Eignung für die entsprechende Stelle sieht. Warum eigentlich? Vielleicht gab es viele negative Erfahrungen, die er in seinem Werdegang erlebt hat, vielleicht aber auch etwas ganz anderes.
Warum hat er nicht selbstbewusst gesagt:
„Das stimmt. Ich bin in der Türkei geboren und spreche fließend türkisch weil mich meine Eltern zweisprachig erzogen haben. Deutschland war 2010 übrigens der wichtigste Handelspartner der Türkei, eine der sich am besten entwickelnden Volkswirtschaften in Europa. Vielleicht macht mich das ja gerade zu einem interessanten Kandidaten für diese Position!“
Dieser Blogbeitrag soll ein Plädoyer dafür sein, die eingefahrene Denkweise auch einmal zu hinterfragen und zu prüfen, ob sie noch Sinn macht. Das gilt im Privatleben ähnlich. Wurde im ersten Jahr der Ehe der Satz „Was sind denn das für Pilze in der Suppe?“ noch mit „Steinpilze, mein Schatz!“ beantwortet, so lautet die Antwort nach 20 Jahren Ehe vielleicht „Wenn’s dir nicht schmeckt, kannst du sie auch gleich stehen lassen!“.
Ein hervorragendes Modell an dieser Stelle ist das Modell der Transaktionsanalyse des Kanadiers Eric Berne. In seinem Modell geht der Psychologe davon aus, dass jeder Mensch aus drei Speichern heraus agieren kann: Dem Eltern-Ich, dem Erwachsenen-Ich und dem Kindheits-Ich.
Hat nun jemand das Gefühl, sein Gegenüber würde aus dem kritischen Teil des Eltern-Ichs kommunizieren, dann erfolgt sehr häufig eine Gegenreaktion aus dem trotzigen Teil des Kindheits-Ichs. Zusammengefasst heißt das: Auf Kritik folgt Trotz!
Im Chef-Mitarbeiterkontakt ist das ähnlich. Manchmal merkt der Chef gar nicht, dass das, was er gesagt hat, als Kritik ankam. Die Trotzreaktion kommt sehr häufig ja auch nicht direkt, immerhin ist der, der das gesagt hat, ja der Chef. Sie kommt aber früher oder später. Beispielsweise kann die Sekretärin auf die Bitte des Chefs „Entschuldigung. Könnten Sie heute noch 1 Stunde länger bleiben, unsere Kunden haben sich leider verspätet und ich brauch sie noch zur Begrüßung.“ antworten: „Das hätte ich gerne gemacht, bin aber heute Abend im Kino und muss daher pünktlich los!“ – und das obwohl sie gar nichts geplant hatte. Dann ist die Reaktion eine Folge einer vielleicht schon vom Chef vergessenen Kritik.
Also: Bei Kommunikation gilt es auf der einen Seite immer darüber nachzudenken, wie eine Aussage ankommen kann. Auf der anderen Seite muss man sich auch fragen, ob die Filter mit denen man die Kommunikation mit seinem Gegenüber beurteilt und deutet, im konkreten Fall „richtig“ sind.
Wie kam der Blogbeitrag denn bei Ihnen an?
Lassen Sie es mich wissen!
Ihr
Heiko Banaszak