Mir wirbt keiner Mitarbeiter ab!

Neulich bekam ich einen sehr interessanten Anruf. Meine Assistentin sagte: „Da ist jemand ziemlich verärgert, weil wir wohl bei ihm versucht hätten, einen Mitarbeiter abzuwerben!“ Ich sagte, dass ich das Gespräch gerne annehme und war sehr gespannt.

Als ich mich gemeldet hatte, ging es auch schon los. Nachdem ich mir angehört hatte, dass ihn schon 3 Mitarbeiter verlassen hätten, weil sie von anderen Headhuntern einen Anruf bekommen hätten, hätte er jetzt „die Schnauze voll“. Ich solle bitte unterlassen, bei ihm anzurufen, sonst würde er gerichtlich gegen mich vorgehen.

In Einwandbehandlung geschult, zeigte ich Verständnis und fragte ihn, ob ich ihm mal meine Sicht erläutern dürfe. Das bejahte er und so erklärte ich ihm zunächst die rechtliche Situation und, dass unsere Mitarbeiter streng innerhalb der Grenzen, die der Bundesgerichtshof in entsprechenden Urteilen zum Headhunting festgelegt hat, handeln.

Die personalwirtschaftliche Seite, zu der ich leider nicht mehr kam, weil der Anrufer das Gespräch beendete, möchte ich gerne einmal etwas ausführlicher in diesem Blog darstellen:

Einer unserer sehr guten Kunden sagte einmal zu mir: „Heiko, ich freue mich über jeden Headhunter der bei uns anruft. Das zeigt, dass gute und begehrte Mitarbeiter bei uns sind und diejenigen, die viele Angebote haben und trotzdem bleiben, sind diejenigen, die aus freien Stücken hier arbeiten. Diese Mitarbeiter tragen das Unternehmen. Ich muss mich nur gut um diese kümmern, dann hat auch kein Mitbewerber eine Chance!“

Diese Aussage hat mich damals nachdenklich gemacht. Und es stimmt. Als Partner in einer im Bereich der Direktansprache führenden Personalberatung passiert es mir immer wieder, dass ich zu unseren Mitarbeitern im Research sage: „Da muss es doch jemanden geben, den man abwerben kann!“.

Daraufhin bekomme ich oft als Antwort: „Wir haben in dem Unternehmen vier Personen identifiziert und alle sagten, sie seien zufrieden und nicht interessiert.“

Wieso sind in manchen Unternehmen die Mitarbeiter leicht abzuwerben und in manchen gar nicht? Liegt es alleine am Geld. Ich sage ganz klar „Nein!“. In den Unternehmen, in denen niemand mit unseren Personalberatern reden will, kommt das Gespräch gar nicht bis zu diesem Punkt und bei den anderen sind die Mitarbeiter sehr schnell mit der Aussage dabei „Können Sie mir ein Profil der Stelle zukommen lassen?“.

In der März-/April-Ausgabe 2010 der zfo – Zeitschrift für Organisation – las ich einen überaus interessanten Artikel meines ehemaligen Chefs, dem Saarbrücker Hochschulprofessor Dr. Christian Scholz. Der Titel „War for Talents – Wer ihn führt, der stets verliert!“.

Er beschreibt dort ein Phänomen, das auch unsere Berater immer wieder berichten und welches sehr erstaunt: Unternehmen kämpfen so stark um neue Talente, dass der Bindung der bestehenden Mitarbeiter nur eine geringe Bedeutung beigemessen wird. Dieser Effekt wird dadurch verschärft, dass es immer wieder vorkommt, dass Mitarbeiter Angebote anderer Unternehmen annehmen und die Personalabteilung mit der Neubesetzung so eingebunden ist, dass Mitarbeiterbindungsprogramme noch weiter in der Priorität nach unten rutschen. Selbst diejenigen Unternehmen, die die Bindung von Mitarbeitern für überaus wichtig halten, haben derzeit kein Budget frei. Warum? Weil die Personalbeschaffungskosten dramatisch gestiegen sind.

Viele Aufträge, die Personalberater derzeit abwickeln, wären aus Sicht des beauftragenden Unternehmens vermeidbar gewesen. Und es ist nicht nur die Tatsache, dass man einen neuen Mitarbeiter finden und einarbeiten muss: Gerade unsere mittelständische Kundschaft atmet schwer, wenn sie die Gehaltsvorstellung „neuer“ Mitarbeiter hört. Diese liegen im Schnitt 10 – 20 Prozent über dem Gehalt des ausgeschiedenen Mitarbeiters. Angebot und Nachfrage bestimmen derzeit die Vergütung.

Personalverantwortliche erklären in Talkshows und Presseberichten immer wieder, dass sie in einem Kampf um die Talente stecken. Gerade der Mittelständler könne hier einfach nicht mit den Großen mithalten. Es stimmt: Großunternehmen mit einem wohl klingenden Namen und einer groß angelegten Personalmarketingstrategie sind hier einfach im Vorteil.

In der langfristigen Bindung von Mitarbeitern sind diese Unternehmen jedoch nicht immer ganz so gut. Viele Erwartungen talentierter Mitarbeiter erfüllen sich nicht. Man durfte zwar am Führungskräftenachwuchsprogramm teilnehmen, steigt aber trotz Erfolg in der Hierarchie nicht weiter auf, da derzeit keine Stellen frei sind etc..

Der Kampf um die Talente und Schlüsselmitarbeiter beginnt bei denen, die man bereits hat. Diese gilt es weiter vom eigenen Unternehmen zu begeistern. Flexibilität ist hier gefragt. Warum erlaube ich meinem Vertriebsleiter aus Prinzip nur einen 5er BMW oder eine E-Klasse von Mercedes, obwohl dieser doch lieber einen SUV oder sportlichen Wagen hätte? Warum gestatte ich nicht meinem Mitarbeiter, der einen weiteren Anfahrtsweg hat, mittwochs einen Tag Homeoffice? Das macht dieser ja samstags und manchmal sonntags freiwillig, auch ohne dass das Auswirkungen auf die Qualität seiner Arbeit hat. Das würde nicht unbedingt Mehrkosten verursachen, den Mitarbeiter allerdings ans Unternehmen binden.

Wenn dieser dann einen Anruf eines Personalberaters erhielte, der ihm einen Job bei einem Großunternehmen anbieten wollte, dann wäre die Wechselhürde erheblich höher, denn ein Geländewagen passt in der Regel nicht in deren Dienstwagenregelung. Der aktuelle Kampf um gute Mitarbeiter resultiert meist daraus, dass sich viele Unternehmen nicht ausreichend auf die absehbare Entwicklung vorbereitet haben und ihnen nun nichts mehr anderes übrig bleibt, als schlagartig zu reagieren.

Gut für unsere Branche, jedoch schlecht für das einzelne Unternehmen.

Ich persönlich glaube, um auf mein Ausgangsbeispiel zurück zu kommen, dass mein sich echauffierender Anrufer zunächst einmal sich selbst fragen sollte: „Warum verlassen mich drei Mitarbeiter hintereinander? Was fehlt diesen Mitarbeitern in meinem Unternehmen? Was kann ich besser machen, damit das nicht noch mal passiert?“

Es ist aus meiner Sicht heraus wichtig, als wachsendes Unternehmen zwei Strategien zu verfolgen: Eine, schnellstmöglich die ausreichende Anzahl an Mitarbeiter zu beschaffen, so dass man das mögliche Wachstum auch realisieren kann und eine, die darauf abzielt, die Schlüsselpersonen gegen Abwerbungsversuche immun zu machen.

In diesem Sinne: Führen Sie eine Immuntherapie bei Ihren Mitarbeitern durch, so dass unsere Kollegen es schwer haben werden. Wir werden Ihnen auch nicht böse sein. Es gibt immer noch genug Unternehmen, die gute Ratschläge nicht beherzigen. Hier freuen wir uns auch weiterhin darauf, anzurufen, denn hier haben wir Erfolg!

Wie könnten Ihre Maßnahmen aussehen bzw. wie sehen sie schon aus, uns das Leben schwer zu machen?

Lassen Sie es mich wissen!

Heiko Banaszak

4 Gedanken zu „Mir wirbt keiner Mitarbeiter ab!“

  1. Wie wahr, wie wahr, leider übersehen selbst die großen Unternehmen die Notwendigkeit sich um die Mitarbeiter zu kümmern., um so Abwerbungsversuche zu vereiteln. Die Möglichkeiten Mitarbeitern einen Tag Homeoffice zu gewähren, für ausreichende Information zu sorgen oder Schulung anzubieten sind die einfachsten Hilfsmittel, wenn man weiss wie man die Mitarbeiter zufriedenstellen kann.

    Leider wird mehr auf die Rekrutierung neuer Mitarbeiter geachtet, statt den Bestand zu hegen.

  2. In größeren Unternehmen ist der Mitarbeiter doch eher anonym, quasi eine „Nummer“ unter vielen.
    Das ist meiner Meinung nach in mittelständischen Unternehmen oder kleineren Betrieben nicht der Fall. Diese können sich nur durch qualitativ gute Mitarbeitern am Markt behaupten. Auch wenn diese die Gehälter der größeren Unternehmen nicht zahlen können, so ist die geringe Mitarbeiterzahl doch ein Vorteil. Der Mitarbeiter und seine Persönlichkeit bzw. seine Leistung hat einen viel höheren Stellenwert für das Unternehmen, als es bei großen Konzernen der Fall ist („Der Mitarbeiter ist also Wer“). Ich denke, dass die kleineren Unternehmen oder Unternehmen generell den Abwerbungsversuchen nur durch Flexibilität gegenüber ihren Mitarbeitern entgegentreten können. Man sollte den Mitarbeitern so gut es geht ein Arbeitsumfeld schaffen, damit sie ihr volles Arbeitspotential ausschöpfen können. Natürlich sollte es kein Wunschkonzert der Arbeitnehmer sein. Allerdings sollte sich das Unternehmen nach bestem Gewissen soweit strecken, dass es für beide akzeptabel und im Endeffekt eine „Win-Win-Situation“ gibt. Ein Beispiel wären flexible Arbeitszeitmodelle für berufstätige Eltern, damit diese Beruf und Familie besser miteinander (und vorallem stressfreier) in Einklang bringen können. Oder das Konzept „Fordern und Fördern“. Von den Mitarbeitern mehr Verantwortung fordern und so ihren hohen Stellenwert für das Unternehmen zeigen, allerdings auch die Voraussetzungen hierzu schaffen, in dem man die Mitarbeiter weiterbildet. Das wären nur ein paar wenige von vielen Möglichkeiten. Meiner Meinung nach spielt das „Wohlempfinden“ eine größere Rolle als Geld. Natürlich nur bis zu einer gewissen Schmerzgrenze.

    1. Vielen Dank für Ihren sehr interessanten Beitrag. Ich bin auch dafür, dass die Mitarbeiter Verantwortung für ihr Tun übernehmen. Das Problem dabei ist jedoch, dass der Mitarbeiter dadurch aus der Opferrolle herausgenommen wird. Das ist nicht in jedermanns Interesse, da man sich ja dann nicht mehr über die Arbeitssituation beschweren, sondern mit schuld ist.

      Ich wünsche Ihnen Frohe Weihnachten und freue mich auch im neuen Jahr über neue Kommentare

      Heiko Banaszak

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