Für alle diejenigen, die ihren Kunden nicht 50 Prozent auf Alles geben möchten!

Am Samstag hatte ich wieder einmal das Vergnügen, für mein Lieblingshandelsunternehmen arbeiten zu dürfen. Ich hatte einen Praxistag zum Seminar „Reklamationsmanagement“ und stand mit den Mitarbeitern gemeinsam an der Information. In dem Warenhaus wird derzeit sehr viel Geld in die Modernisierung und Anpassung der Ladengestaltung an die veränderten Kundenbedürfnisse investiert. Das führt natürlich zu Veränderungen. Kunden finden nicht das, was sie suchen, weil die Artikel nicht mehr am gewohnten Platz stehen. Normalerweise darf mach dann immer wieder mit dem Kundeneinwand umgehen: „Dauernd baut ihr um!“.

Statt dieses Einwandes nahm ich selbst – stellvertretend für die Mitarbeiter, die diesen Umbau zu verantworten haben – von zwei Kunden Komplimente entgegen:

  1. „Die neue Fischtheke ist wirklich ganz ganz toll geworden. Das ist wirklich etwas ganz besonderes!“
  2. „Wir sind aus Stuttgart und kaufen jedes Mal, wenn wir hier in der Gegend sind, bei Ihnen ein. So einen sauberen und tollen Markt hätten wir auch gerne. Geben Sie das ruhig einmal weiter!“

Das zeigt mir, dass man sich auch in einem schwierigen Feld, wie dem deutschen Handel, immer noch gegenüber den Mitwettbewerbern differenzieren kann.

Der Inhaber des Unternehmens hat einmal vor vielen Jahren bei der Diskussion über Kundenkarten zu mir gesagt: „Wenn man eine Kundenkarte nur einführt, weil die Primärleistung die man dem Kunden bietet, nicht ausreicht, um den Kunden an sich zu binden, dann sollte man sich Gedanken machen!“. Zugegeben: Auch dieses Unternehmen hat inzwischen eine Treuekarte. Man bekommt zwar keinen Rabatt auf die Waren, aber ich finde den gegebenen Tankrabatt klasse, weil es mir als Kunde das einzig unangenehme, nämlich die weitere Anfahrt, „versüßt“.

Bleiben wir einmal beim Tanken: Bei Aral gibt es die Payback-Karte, bei Shell Clubsmart und ADAC, bei Jet Kraftstoff einen Cent billiger und warum? Weil es keiner Tankstelle wirklich gelingt, sich im Primärbereich „Treibstoffbelieferung“ wirklich abzusetzen. Dabei zähle ich ausdrücklich auch die Freundlichkeit der Mitarbeiter und das Shopangebot mit dazu. Nicht nur, dass keiner der Kraftstoffe mein Auto wirklich schneller macht oder den Motor länger leben lässt: Auch die Mitarbeiter sind inzwischen nahezu gleichfreundlich und das Shopangebot absolut vergleichbar.

Ich halte es daher absolut wie Michael E. Porter, Professor an der Harvard Business School. Seiner Meinung nach gibt es nur drei Strategien, um am Markt erfolgreich zu sein:

Entweder bin ich, bezogen auf den Gesamtmarkt

  1. Der Beste, d. h. der Qualitätsführer  oder,
  2. Der Billigste, d. h. der Preisführer.
  3. Für Teilmärkte gibt es auch noch die Chance der Spezialisierung, aber sobald auch hier wieder Konkurrenz lauert, muss man sich im oberen Sinne positionieren.

Kunden gehen nicht zum Zweitbesten und auch nicht zum Zweitbilligsten! Da geht es dem Anbieter wie dem Bewerber um eine ausgeschriebene Stelle. Der zweitbeste Bewerber hat dieselbe Position wie derjenige, der bereits beim Aussortieren auf dem Stapel Absagen gelandet ist.

Deshalb sollte sich jeder Entscheider folgende Fragen stellen:

–          Wer möchten Sie sein? Der Beste oder der Billigste?

–          Wie machen Sie Ihrem Kunden diese Positionierung klar?

–          Was „beweist“ Ihrem Kunden diese Position?

Wenn Sie der Billigste sein wollen, dann gebe ich Ihnen nur einen Tipp: Schaffen Sie alles ab, für das der Kunden nicht bereit ist, Geld zu bezahlen. Dazu zählen auch Berater, die andere Dinge im Blick haben als Prozessoptimierung und Cost Cutting.

Da ich nicht an meinem eigenen Grab schaufeln will, möchte ich insbesondere denjenigen, die an einer klaren Differenzierungsstrategie arbeiten, einige Ideen mit auf den Weg geben:

Idee 1: Probieren Sie es doch mal mit einer Einheitspreisstrategie

Interessant fand ich die in einem Artikel (s. u.) gefundene These, dass Einheitspreise für unterschiedliche Produkte, den Kunden dazu zwingen, den Preis als Kriterium auszublenden. Stattdessen konzentriere er sich auf die Produkteigenschaften und wäre daher mit dem Kauf glücklicher, weil er ja das Produkt gekauft hätte, das wirklich seine Bedürfnisse am besten abbildet.

Zu meiner Jugend war das die Swatchuhr. Es gab ein Modell in unterschiedlichen Designs. Man konzentrierte sich also auf die Farbe, die einem am besten gefällt und war glücklich. Sobald der Preis ins Spiel kommt, kann es zu Fehlkäufen kommen: Wer von uns hat nicht mal ein Kleidungsstück gekauft, nur „weil es reduziert war“. Ein solcher Kauf hat nicht zu Glücksgefühlen geführt. Man erinnert sich nicht gerne an diesen Einkauf und somit ist man auch dem Geschäft nicht wirklich dankbar.

Idee 2: Verzichten Sie auf Rabatte oder günstige Paketpreise

Rabatte und vergünstigte Paketpreise ließen den Blick in erster Linie auf den Preisvorteil als auf den Produktnutzen blicken. Untersucht wurde das bei Internet- und Telefonprovidern. Kunden empfanden den Rabatt als Hinweis darauf, dass es etwas zu sparen gibt. Das richtete die Aufmerksamkeit also ausschließlich auf den zu erreichenden Preisvorteil anstatt darauf, welches Produkt seine Bedürfnisse am besten erfüllt.

Für mich heißt das, dass ich dem kurzfristigen Glücksgefühl etwas gespart zu haben eine dauerhafte Enttäuschung entgegensetze. „Enttäuscht“ als Wort meint übrigens, dass die Täuschung vorbei ist, also ein Ende hat. Vielleicht ist daher die Kundenverweildauer im vergleichbaren Providerumfeld meist nur auf die Vertragslaufzeit begrenzt.

Idee 3: Erhöhen Sie den Preis so, dass er neugierig macht

Gehen Sie einmal durch die Fernsehabteilung des Elektromarktes Ihres Vertrauens. Ihre Augen wandern umher. Sie sehen Preise, die irgendwie gleich sind. 679 Euro, 699 Euro, 729 Euro und die Geräte sehen alle gleich aus. Auf einmal entdecken Sie ein Gerät, das auch ähnlich aussieht aber 1499 Euro kostet. Was machen Sie instinktiv? Sie gehen zu diesem Gerät hin und betrachten es. Sie sind neugierig geworden und fragen sich: Wodurch ist dieser hohe Preis gerechtfertigt?

Ich denke, dass dies auch im Personalrecruitingumfeld lange Zeit unser Problem war. Wenn man durch uns Mitarbeiter hat suchen lassen, dann war das eine ähnlich hohe Investition wie bei den anderen regionalen Anbietern auch. Wir hatten uns dem Marktpreis angepasst und versucht eine erheblich bessere Dienstleistung zu bieten. Wir haben sehr viel Geld in die Entwicklung eines eigenen, validen und reliablen eignungsdiagnostischen Verfahrens investiert, haben eine eigene Researchabteilung und ein riesiges Netzwerk in den von uns betreuten Branchen aufgebaut. Das macht uns nicht nur schneller, sondern auch besser.

Das Schöne daran war, dass wir nahezu alle Kunden halten konnten, die mit uns Mitarbeiter gesucht haben. Weniger schön war, dass in der Akquise trotz gewichtiger Gründe ab und an unseren Wettbewerbern der Vorzug gegeben wurde, weil der „im Preis flexibler“ war.

Seit wir die Preise deutlich über Wettbewerbsniveau angehoben haben, passiert uns das seltener. Das liegt daran, dass der Kunde versteht, warum wir einen anderen Preis ausrufen. Er beschäftigt sich mehr mit unserem Angebot. Wenn er denn wirklich einmal einem Wettbewerber den Vorzug gibt, dann nicht, weil der billiger ist, sondern weil er die Qualität, die wir anbieten, nicht braucht. Wir haben beschlossen, nur noch Aufträge anzunehmen, wenn der Kunde zu schätzen weiß, was wir bieten. Seitdem sind wir stark gewachsen und sowohl unsere Kunden als auch unsere Mitarbeiter glücklicher.

Für Idee 4 bis unendlich brauche ich Sie. Welche Ideen haben Sie noch? Was machen Sie, um sich im Wettbewerb abzuheben und einen höheren Deckungsbeitrag zu erzielen als Ihre Wettbewerber?

Lassen Sie es mich wissen! Ich freue mich drauf!

Ihr

Heiko Banaszak

post scriptum

Empfehlen möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich den Artikel „Hohe Preise durchsetzen“ von Marco Bertini und Luc Wathieu, veröffentlicht im Harvard Business Manager vom Januar 2011. Dieser Artikel hat mich bei den Recherchearbeiten zu diesem Blog und den formulierten Ideen stark inspiriert und bestätigt.

2 Gedanken zu „Für alle diejenigen, die ihren Kunden nicht 50 Prozent auf Alles geben möchten!“

  1. Hier ist meine Idee Nr. 4:

    Extreme Spezialisierung verknüpft mit „Raum“ für Kooperatiosnpartner.
    Wir machen es so!
    Wir beraten unsere Kunden bei der Einrichtung pauschal dotierter Unterstützungskassen! Damit liefern wir einerseits eine Waffe für das Zielunternehmen:
    (Liquidität, Steuervorteil, Mitarbeiterbindung, Unabhängigkeit von Banken und Versicherungen) und lassen andererseits Kooperationspartnern den Raum in Ihrem Geschäftsfeld erhebliches Zusatzgeschäft zu generieren:
    den Steuervorteil „verkauft“ der Steuerberater, die freien Mittel legt der Finanzberater zumindest teilweise an, den Hebel „250.000 € zusätzlich bei Renteneintritt“ setzt der Personalberater ein.
    Also „win-win-win-win-Situation“!
    Jeder Berater erzielt in seinem Bereich zusätzliche Umsätze und findet zusätzliche Kunden, jedes Zielunternehmen hat erhebliche Vorteile, da unsere Lösung im Mittelstand relativ unbekannt ist, jedes Zielunternehmen verbessert eine Vielzahl von wichtigen Parametern und jeder Mitarbeiter der Zielunternehmen hat die Chance auf echte versicherungsfreie Betriebsrenten!

    1. Lieber Herr Focht,

      Das klingt natürlich fast schon zu schön, um wahr zu sein.

      Normalerweise sagt man „If there’s no competition, there is probably no market!“ aber es scheint immer noch Nischen zu geben, bei denen man durch tiefgreifendes Fachwissen sich einen Markt selbst schaffen kann!

      Danke für Ihren Hinweis

      Heiko Banaszak

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