Spitzenmanager oder „nur“ gut?

In dieser Woche schickte mir einer meiner Freunde aus

Heiko Banaszak (Autor des Blog www.entscheider-blog.de
Heiko Banaszak (Autor des Blogs www.entscheider-blog.de)

dem Verband der Familienunternehmer den Link zu einem Artikel im Harvard Business Manager. Er selbst führt ein Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und fragte mich nach meiner professionellen Meinung zu dem Artikel „Was unterscheidet Spitzenmitarbeiter vom Durchschnitt?“. Die Autoren Jack Zenger und Joseph Folkmann haben 50.000 Leistungsbeurteilungen untersucht und sind dabei zu einer wesentlichen Erkenntnis gekommen: Die besten Arbeitskräfte unterscheiden sich in neun Eigenschaften wesentlich von Kollegen, die zwar gut sind, aber eben nicht aus der Masse herausragen.

Laut diesem Artikel sind es folgende Merkmale:

  1. Sie setzen sich hochgesteckte Ziele und erwarten viel von sich selbst.
  2. Sie arbeiten gut mit anderen zusammen.
  3. Sie sind bereit, ihre Gruppe nach außen hin zu vertreten.
  4. Sie freuen sich über Veränderungen, statt sich dagegen zu wehren.
  5. Sie ergreifen die Initiative.
  6. Sie reden nicht nur, sondern handeln auch.
  7. Sie durchdenken alles genau.
  8. Sie haben ein dickes Fell.
  9. Sie geben ehrliches Feedback.

Nach meiner Einschätzung kann ich diesen neun Punkten absolut zustimmen. Die Frage, die sich hier stellt, ist allerdings, ob man nicht in der Untersuchung Ursache und Wirkung verwechselt. Die Mehrzahl aller Affen essen nämlich Bananen. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass jeder, der Bananen isst, auch gleich ein Affe ist.

Viele Untersuchungen, die versuchen, eine Vorhersage hinsichtlich des möglichen beruflichen Erfolges eines Menschen zu treffen, kommen nämlich in ihren, auf lange Zeit angelegten, Studien zu einem sehr viel einfacheren Schluss:

Der Hauptprädiktor für beruflichen Erfolg war über viele Jahrzehnte hinweg die Intelligenz eines Menschen. Erst in jüngeren Studien wird dieser manchmal auf Rang 2 hinter die Hartnäckigkeit gesetzt, bleibt aber immer noch absolut aussagekräftig.

Legt man diese doch wissenschaftlich sehr validen und offensichtlich auch reliablen Studien zugrunde, so wird klar, warum die meisten der oberen neun Punkte eher Wirkung als Ursache sind: Intelligente Menschen analysieren Dinge und sind dadurch erst in der Lage, alles gut zu durchdenken (Punkt 7). Aus meiner Sicht heraus ist nicht das Feedback zu geben wichtig (Punkt 9), sondern die Fähigkeit, einzuschätzen, welches Feedback helfen kann und welches eher kontraproduktiv ist. Damit Feedback konstruktiv ist, muss es auch inhaltlich fundiert sein. Auch dabei hilft Intelligenz. Wem nutzt schon ein Feedback wie z.B. „Also, mir gefällt das so aber nicht!“ von einem Menschen, der auf die Frage nach dem Grund nur antwortet: „Weiß ich auch nicht, es gefällt mir einfach nicht!“.

Und hier liegt auch das Problem der Schlussfolgerungen der Autoren aus meiner Sicht. Sie raten wörtlich: „Wenn Sie sich von der Masse abheben möchten, dann sollten Sie diese neun Verhaltensweisen beherzigen. Dadurch werden Sie einen sehr positiven Eindruck in Ihrem Unternehmen hinterlassen.“

Wenn jemandem die Intelligenz fehlt, dann versucht er, den neun Punkten gerecht zu werden, aber es wird nur wenig helfen.

Ähnlich sieht es mit vielen anderen Punkten aus. Ohne die notwendige Hartnäckigkeit bekommt man kein dickes Fell (Punkt 8) und setzt sich auch keine hohen Ziele (Punkt 1). Man redet auch lieber, statt zu handeln (Punkt 6), weil nicht das Ergebnis, sondern das Tun im Mittelpunkt steht.

Dennoch finde ich den Beitrag sehr gelungen und aufschlussreich. Hartnäckige und intelligente Menschen können hier lernen, wie sie sich noch besser von anderen, ebenfalls hartnäckigen und intelligenten Menschen abheben.

Meiner Meinung nach gibt es von diesen Menschen aber in den wenigsten Unternehmen so viele, als dass sie damit wirklich ein Problem hätten. Zumindest bei einem mittelständischen Unternehmen sollten diese auffallen.

Bei Vorstellungsgesprächen kann man aus einem Teil der obigen Punkte jedoch durchaus im Sinne eines multimodalen Interviews, das ich jedem, der Vorstellungsgespräche führt, empfehle, tolle Fragen ableiten. Diese werden sehr aufschlussreich sein, auch oder gerade, um Intelligenz und Hartnäckigkeit einschätzen zu können!

Wie sehen Sie das? Lassen Sie es mich wie immer wissen.

Herzliche Grüße

 

Heiko Banaszak

post scriptum

Anbei der Link zum erwähnten Artikel: http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/was-spitzenmitarbeiter-auszeichnet-a-964699-2.html (Stand 22. April 2014).

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