Keine Mails mehr nach Feierabend? – Plädoyer für einen ergebnisorientierten Führungsstil!

Bundesarbeitsministerin von der Leyen ist in dieser Woche vorgeprescht und fordert Regeln für den Umgang mit Mails in der Freizeit. In ihrer Argumentation stützt sie sich auf den Arbeitsschutz. Das Arbeitsschutzgesetz verlange mit seinem knallharten Strafenkatalog von jedem Chef, dass er Körper und Geist seiner Mitarbeiter aktiv schützen müsse. Dies gelte werktags ebenso wie am Wochenende. In der Praxis, so schließt sie daraus, hieße das zum Beispiel glasklare Regeln, zu welchen Uhrzeiten ein Mitarbeiter erreichbar sein müsse und wann er dafür seinen verdienten Ruheausgleich bekomme. Das heißt, wann ein Mitarbeiter Mails checken müsse und wann es okay sei, sich erst später darum zu kümmern.

Ihr Fazit: „Die Technik ist kein Problem für die Gesundheit, wir müssen nur lernen, vernünftig damit umzugehen!“

Die BILD schlussfolgert daraus am 12. Juni 2012: „Schluss mit Chef-E-Mails am Wochenende und Büro-Anrufen im Urlaub! Weniger Stressfür die Mitarbeiter: Immer mehr Firmen in Deutschland ziehen den Handy-Stecker.“

Laut Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des Branchenverbandes IT und Kommunikation Bitkom hätten zunehmend mehr Firmen erkannt, dass die Mitarbeiter Unterstützung bei der Balance zwischen Job und Privatleben bräuchten. Deshalb führten diese Firmen Regeln zur Erreichbarkeit in der Freizeit ein. Darunter unter anderem die Deutsche Telekom, VW, Bayer und einige andere.

Ich habe mich damit beschäftigt und gefragt, ob unser Unternehmen auch so etwas bräuchte. Ich denke, dass nicht die Technik das Problem ist, sondern der Führungsstil einiger Vorgesetzter. Über wen reden wir denn? Über Führungskräfte mit Firmenlaptop, iPhone, Blackberry oder sonstigem Smartphone, die jederzeit der Gefahr ausgesetzt sind. Tatsächlich bearbeitet jeder 5. Beschäftigte laut einer Studie des Bundesverbands der Krankenkassen in der letzten halben Stunde vor dem Schlafengehen noch berufliche Emails.

Macht das alleine krank? Nein! Aus meiner Sicht ist es nicht die Mail an sich, sondern die Sinnlosigkeit vieler Mails. Als Mitarbeiter muss man sich zu sinnlosen Dingen äußern, zeigen, dass man auch am Wochenende präsent ist und durch das schnelle Antworten demonstrieren, dass man absolut engagiert ist, um sich so für die nächste Karrierestufe zu positionieren.

Das ist aus meiner Sicht genauso dämlich, wie das ehemals in vielen Unternehmen weitverbreitete „Ich bleibe am längsten im Büro!“. Vielleicht brauchen hier Konzerne tatsächlich klarere Regeln als der Mittelstand, weil bei der Masse an Mitarbeitern, nicht alle Vorgesetzten „sinnvoll“ arbeiten. Wörtlich würde dies nämlich bedeuten, dass jeder nur Mails schriebe, die „voll von Sinn“ sind.

Es geht nicht darum, wann und wie viel jemand arbeitet, sondern darum, was dabei herauskommen soll. Wenn ich es als Vorgesetzter schaffe, meinen Mitarbeitern klare Ziele zu setzen, dann können diese selbst entscheiden, wann sie innerhalb der vorgegebenen Zeitspanne diese Aufgabe bewältigen.

Dazu braucht man aber eine Grundeigenschaft: Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter, die man meist sogar selbst ausgesucht hat.

Ich selbst war heute um 18 Uhr im Schwimmbad und sitze jetzt um 22:16 Uhr an diesem Blogbeitrag. Fühle ich mich gestresst? Nein, denn ich selbst habe entschieden, dass ich auf diese Art und Weise meine privaten und beruflichen Verpflichtungen am besten in den Griff bekomme.

Warum ich den Blog nicht morgen früh im Büro schreibe? Weil ich morgen den ganzen Tag unterwegs bin, der Blog aber donnerstags online gehen muss. Ich habe also ein Ziel und habe selbst entschieden, wie ich dieses Ziel erreiche und wann ich mich darum kümmere.

Ähnlich arbeiten bei uns viele Mitarbeiter. Jeder weiß, was er grundsätzlich zu tun hat und ich vertraue darauf, dass er selbst weiß, wann er Mails zu bearbeiten hat, welche davon warten können und wie er dennoch seine Ziele erreicht.

Am Sonntag habe ich mir jedoch auch erlaubt einen Mitarbeiter anzurufen, weil eine bis dahin vorzubereitende Statistik nicht da war und ich sie am Montagmorgen für einen Termin gebraucht habe. Aber das war kein Problem, wie ich mich im Vorfeld dieses Beitrags versichert habe. Denn er hatte es delegiert, aber nicht kontrolliert, ob derjenige es auch wirklich erledigt hatte. Deshalb sei es seine Schuld und da müsse er eben Sonntag ran.

Dieser ergebnisorientierte Führungsstil ist nicht einfach, weil man klar sagen muss, was man bis wann als Chef erwartet. Es dauert länger als man glaubt, dieses Ziel tatsächlich messbar zu spezifizieren. Hinzu kommt, dass man statt Kontrolle solange Vertrauen walten lässt, wie es der Mitarbeiter durch sein Verhalten verdient. Es bedeutet, dass man nicht nachtragend ist und auch zweite Chancen einräumt, aber dennoch konsequent ist.

Die alles entscheidende Regel sollte daher sein: Erreiche Deine Ziele in der Zeit, in der Qualität und zu den Kosten, die vereinbart waren!

Der Vorteil ist: Man braucht weniger Regeln, weil sich alles daraus ableiten lässt, vorausgesetzt Ihre Mitarbeiter sind mit gesundem Menschenverstand ausgestattet; was sie hoffentlich sind, sonst wären diese schließlich nicht in einer Führungsposition und besäßen einen Firmenlaptop mit Mailaccount, ein Smartphone oder Ähnliches. Diesen Mitarbeitern sollte man, unter der Prämisse des ergebnisorientierten Stils, zutrauen, dass sie auch mal eine Mail des Chefs am Wochenende unbeantwortet lassen, wenn sie sich sicher sind, die Ziele dennoch zu erreichen.

Vielleicht haben wir es auch leichter: Viele meiner Mitarbeiter und ich entstammen einer Generation, die mit der Technik aufgewachsen sind. Ich habe schon unzählige SMS in meinem Leben geschrieben, habe mit einem „Knochen“ die ersten Mails mobil beantwortet, springe heute zwischen Mail-, Facebook und Whatsapp-Account hin und her. Ich fühle mich zum Glück von der Technik selbst nicht gestresst. Technik an sich ist für mich absolute Normalität.

Und wenn ich – wie letztes Wochenende – die Mail eines Mitarbeiters bekomme, der mich bittet, ihm zu helfen, damit er sein Ziel erreichen kann, er selbst aber an einer entscheidenden Stelle nicht weiterkomme, dann helfe ich ihm auch. Hierbei entscheide ich aber selbst, ob direkt oder später. Meine Entscheidung schreibe ich kommentarlos zurück. Das dauert genauso lange, wie eine SMS zu schreiben und stresst mich überhaupt nicht. Die Entscheidung liegt ja alleine bei mir! Im konkreten Fall war es mir zunächst wichtiger, mit meiner Familie frühstücken zu gehen. Das war ok, weil danach das Ziel immer noch erreichbar war. Genau dasselbe hätte ich auch meinem Mitarbeiter im umgekehrten Fall zugestanden.

Wie ist Ihre Meinung dazu? Wie praktizieren Sie das? Lassen Sie es mich wissen!

Herzliche Grüße

Heiko Banaszak

 

post scriptum 1

Ich schicke den Blog nun an 4 Mitarbeiter zur inhaltlichen sowie orthographischen Korrektur und baue darauf, dass diese selbst entscheiden, wann bis Donnerstagvormittag sie die Mail bearbeiten. Vielleicht hat ja jemand Lust, das heute Abend noch zu tun, weil ihm der Blog in aller Regel besser gefällt als das Programm bei RTL2. Soll ich ihm diesen Spaß etwa vorenthalten?

post scriptum 2

Es ist übrigens jetzt 23:21 und ich fühle mich noch immer nicht gestresst, obwohl ich gerade nochmal geschaut habe, ob ich inzwischen eine Mail bekommen habe!

 

2 Gedanken zu „Keine Mails mehr nach Feierabend? – Plädoyer für einen ergebnisorientierten Führungsstil!“

  1. Ich kann Ihnen nur beipflichten. Das Arbeiten in dem Zeitraum der Freizeit, bei eigener Einschätzung und Einteilung, kann kein Stressfaktor sein. Was allerdings in den letzten Jahren progressiv zugenommen hat ist die Zahl der Mails, da gilt es zu filtern was lohnt zeitnah bearbeitet zu werden und was nicht. Ich bin mittlerweile der Auffassung, dass es sogar eine erhebliche Anzahl von Mails gibt, die schlichtweg unnötig sind.

    1. Hallo Herr Speicher,

      ich stime Ihnen absolut zu! Das Problem sind tatsächlich die sinnlosen Mails und das unnötige cc-Setzen. Ich persönlich bin ein Fan davon, Regeln einzufüHren. cc-Setzen=Lesen, wenn Zeit und Lust, Im Feld An: Wichtig, muss gelesen werden! Dann kann man hinterher mal mit dem ein oder anderen diskutieren, ob das wirklich ein MUSS war :-)

      Liebe Grüße

      Heiko Banaszak

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