Zeigen Sie die rote Karte!

Wie die Leser meines Blogs wissen, ist der Harvard BusinessManager eine meiner Lieblingszeitschriften. Nirgendwo habe ich bessere Ideen bekommen als durch die Lektüre dieses Magazins. In der neuesten Ausgabe vom Januar 2012 habe ich wieder einmal eine tolle Idee gefunden, die ich Ihnen gerne kurz vorstellen möchte.

Das Projektmanagement ist inzwischen in vielen Unternehmen ein fest implementierter Bestandteil geworden. In Excel-Sheets oder Programmen wie MS-Project können die Projektbeteiligten und deren Führungskräfte feststellen, wie denn das Projekt verläuft, wie viele Stunden auf das Projekt gebucht worden sind usw..

Was aber passiert oftmals in Unternehmen: Läuft das Projekt aus dem Managementdreieck, d.h. aus dem Kosten-, Termin- oder Ergebnis-/Leistungsrahmen, dann muss der Projektleiter sich vor seinem Chef rechtfertigen und erklären, warum das passiert ist. Meist versucht der Projektleiter durch einen massiven Ausbau seines eigenen Zeitinputs das Projekt wieder in den Griff zu bekommen. Das funktioniert auch meist, jedoch häufig genug fallen diese Personen danach in eine Phase, in der sie sich ausgebrannt fühlen und nicht mehr so (geistig) leistungsfähig sind, wie man sich das von seiner Führungskraft wünscht.

Der Dachfensterhersteller Roto hat hier eine tolle Lösung gefunden. Sie betreiben visuelles Management auch im Projektbereich. Statt der früher üblichen und unübersichtlichen Projektsteuerungsdiagramme hat nun jeder Projektleiter für seine Projekte eine Wochentafel über seinem Schreibtisch hängen. Hat er das Gefühl, dass das Projekt aus dem Rahmen läuft, steckt er an dieses Projekt eine rote Karte. Diese ist dann für alle Kollegen im Großraumbüro ersichtlich und bedeutet: Hier braucht einer deiner Kollegen Hilfe! Diese bekommt er dann auch sofort. Entweder durch seine Führungskraft oder eine kurzfristig eingerichtete Taskforce aus Kollegen. Das nimmt den Druck von ihm als Verantwortlichem etwas weg und stärkt die Zusammenarbeit und die Kommunikation in dieser so wichtigen mittleren Managementebene.

Das neue System, so die Autoren Christoph H. Loch, Fabian J. Sting, Dirk Stempfhuber und Arnd Huchzermeier, revolutionierte nicht nur die Produktentwicklung bei Roto, sondern hat mittlerweiler auch die Arbeitsabläufe in anderen Abteilungen des Unternehmens verbessert.

Die Mitarbeiter hatten im Rahmen des Projektmanagements gelernt, Probleme durch den Einsatz der roten Karte frühzeitig zu erkennen und im Team zu bewältigen. Dasselbe Prinzip haben sie auch im Rahmen der Produktverbesserungen eingeführt. Jede Woche gibt es die „Produktbeschwerde der Woche“. Ganz im Sinne der roten Karte wird eine auffallende Kundenbeschwerde durch den zuständigen Ingenieur herausgegriffen und gemeinsam nach einer Lösung gesucht.

Ich habe in vielen Unternehmen beobachtet, dass es eine Kultur des „Fehler-und-Probleme-unter-den-Tisch-Kehrens“ gibt. Solange es niemandem auffällt, gibt es auch kein Problem. Ähnlich dem Schuldner, der keine Mahnung mehr öffnet, sondern ungeöffnet in eine Schublade steckt. Diese Verdrängungstaktik führt aber weder beim Schuldner zu einer Entschuldung, noch führt sie dazu, dass sich Schwachstellen im Unternehmen von selbst auflösen.

Deshalb finde ich die Idee der „Roten Karte“ super und denke gerade darüber nach, wie ich diese in unserem Unternehmen umsetzen kann. Da alle meine Mitarbeiter auch meine Blogs lesen, werden sie vielleicht erkennen, dass ich gerade die rote Karte gezückt habe und im Team eine Idee finden will, wie wir dieses Prinzip bei uns umsetzen.

Machen wir einen Deal: Sie lassen mich wissen, wie Sie die Idee aufgreifen und ich lasse Sie unsere Idee wissen. OK?

Liebe Grüße

Heiko Banaszak

post scriptum

Loch, Christoph H./ Sting, Fabian J./ Stempfhuber, Dirk/ Huchzermeier, Arnd, Das Prinzip der roten Karte, in: Harvard Business Manager Januar 2012, 44-51

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert