„Entschuldigen Sie bitte meine kleine Verspätung!“

Im Zuge einer Beratung habe ich letzte Woche diesen Satz zu hören bekommen. Es war eine Projektbesprechung angesetzt, die ich moderieren durfte. Anwesend waren neben dem Chef vier Abteilungsleiter und sechs leitende Mitarbeiter. Insgesamt waren wir also 12 Personen.

Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes bezahlten Arbeitgeber im Jahr 2009 in der deutschen Privatwirtschaft im Durchschnitt 30,90 € je geleisteter Arbeitsstunde inkl. Lohnnebenkosten. Damit liegt Deutschland – für diejenigen, die es interessiert – auf Rang 8 in Europa. In Dänemark, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Österreich, Finnland und den Niederlanden müssen Arbeitgeber mehr bezahlen. Dänemark wies mit 37,40 € die höchsten, Bulgarien mit 2,90 € die niedrigsten Arbeitskosten je Stunde auf.

Im verarbeitenden Gewerbe kostete in Deutschland im Jahr 2009 jede Stunde übrigens 35,60 €. Hier liegen nur noch Belgien (38,50 €) und Dänemark (35,90 €) vor uns in der EU.

In der erwähnten Projektbesprechung saßen ausnahmslos überdurchschnittlich verdienende Mitarbeiter. Keiner der Anwesenden verfügt über ein Bruttojahresgehalt von unter 35.000,00 €, einige wenige verdienen weit mehr als das Doppelte dieses Betrages. Nahezu alle Mitarbeiter haben zusätzlich zu ihrem Gehalt einen Firmenwagen und sonstige Zusatzleistungen.

Nimmt man einmal den fiktiven Wert von lediglich 50,00 € je geleistete Stunde an, dann kostet jede Stunde Besprechung in dieser Zusammensetzung 600,00 €.

Kommt nur einer der Teilnehmer dieser Besprechung 5 Minuten zu spät, dann wird es teuer!

11 wartende Mitarbeiter multipliziert mit 50,00 € ergeben 550,00 € je Stunde. Diesen Betrag dividiert durch 60 Minuten ergibt einen Minutenwert für die 11 Wartenden von 9,16 €. Bei 5 Minuten Wartezeit sprechen wir über knapp 46,00 €.

Hoffentlich sind die Mitarbeiter produktiver als die vom Unternehmen zu zahlenden Kosten. Das bedeutet, dass der Produktivitätsverlust für das Unternehmen bei weit über 46,00 € liegt.

Ob man die kleine Verspätung entschuldigen sollte?

Lassen Sie es mich wissen!

Ihr

Heiko Banaszak

post scriptum

Rechnen Sie sich doch mal aus, was folgende Sätze ausgesprochen in Ihrer eigenen Besprechung finanziell bedeuten:

„Moment, ich geh mir noch schnell einen Kaffee holen!“
„Oh, ich hab meine Unterlagen im Büro vergessen. Ich geh die aber schnell holen!“
„Und? Wie war das Wochenende?“
„Oh, sorry, das Telefonat muss ich annehmen. Bin gleich zurück!“

14 Gedanken zu „„Entschuldigen Sie bitte meine kleine Verspätung!““

  1. Leider wird der „Zeitfaktor“ immer wieder überschätzt – wir legen auf das Messen von Zeit nur deshalb soviel Wert, weil wir die Zeit hervorragend messen, registrieren und dokumentieren können. Deshalb müssen wir es schaffen andere Kriterien zu generieren, denen wir einen Finanzwert zuordnen können.
    Mal ehrlich – es kommt uns ja nicht auf die 5 Minuten Verspätung an – meist sind wir doch nur verärgert weil wir warten mussten. Der Groll ist das, was uns dann kostet.

    1. Lieber Herr Dr. Schmidt,

      danke für Ihren Kommentar. Da ist sicherlich auch aus meiner Sicht viel dran.

      Insbesondere bei Büroarbeitsplätzen wie in unserem bzw. im außertariflichen Bereich kann „vertane“ Zeit wieder „reingearbeitet“ werden.

      Wie aber sieht es bei Unternehmen aus, bei denen es eine Zeiterfassung gibt und die Mitarbeiter auch auf eine Einhaltung bestehen?

      Ich habe mich sehr über Ihr Feedback gefreut!

      Liebe Grüße

      Heiko Banaszak

    1. Lieber Herr Prof. Beinhauer,

      ich habe das mal auf unsere damaligen Verhältnisse im Audimax umgerechnet. 400 Studenten á € 8 pro Stunde… Da kommt einiges zusammen. Ich hoffe, Du denkst heute daran, wenn Du Deine Studies quälst!

      Liebe Grüße

      Heiko

  2. Sehe es ähnlich wie Herr Dr Schmidt und möchte noch ergänzen:

    Für mich wären 5 Minuten Verspätung schlimm wegen der Geringschätzung, die den Wartenden entgegengebracht wird und wegen der Machtspielchen die da laufen.
    Was viel mehr kostet sind nicht strukturierte Besprechungen, bei denen endlos geredet wird, nach dem Motto: „es wurde zwar schon alles gesagt, aber noch lange nicht von jedem“ und die in denen keine Entscheidungen gefällt und Aktionen abgeleitet werden.
    Das kostet Geld und nicht die 5 Minuten zu spät kommen.

    Und vergessen wir bitte auch nicht die 15 – 30 Minuten, die die Herren der Schöpfung damit zubringen müssen, die Rangordnung durch verbale Schaukämpfe festzulegen wenn die Gruppe sich zum 1. Mal trifft. Alles meiner Meinung nach viel schwer wiegendend als zu spät kommen.

    Bei den 4 Sätzen die Sie am Schluss zur Diskussion stellen fühle ich mich an Vorschulfernsehen erinnert: „Welcher der Sätze passt nicht in die Reihe.“ Für mich ganz klar der Satz mit der Frage nach dem Wochenende. Erst mal ankommen in einer Besprechung, gute Stimmung machen oder Sorgen und Ärger auffangen, damit das, was vielleicht sonst unausgesprochen im Raum hängt, einen Platz zu geben.

    1. Liebe Frau Juchem,

      Danke für Ihren Kommentar.

      Besonders der Hinweis auf die Machtspiele haben bei mir einige Szenen aus der Praxis hochkommen lassen, die zum Teil sehr viel länger gedauert haben.

      Oder denken Sie an IHK Vorträge, bei denen einer der Zuhörer aufsteht, behauptet eine Frage stellen zu wollen und vergisst über die Darstellung wer er tolles ist die Frage. Auch da empfinde ich Geringschätzung :-)

      Das mit den abschließenden Fragen überdenke ich gerade noch :-)

      Liebe Grüße und ein schönes Wochenende

      Heiko Banaszak

    2. Liebe Frau Juchem,

      ich habe am Wochenende mal etwas recherchiert. Ich wusste, dass ich irgendwann mal etwas gelesen habe zum Thema „Schaukämpfe“ im Unternehmen.

      In der Wirtschaftswoche 38/2009, auf Seite 91 habe ich etwas interessantes gefunden, wie man zeitraubende Machtspielchen in Sitzungen vermeiden kann.

      Meist geht es ja bei diesen Kämpfen um Gewinnen, Status und Macht im Unternehmen. Bei der Beratungsfirma A.T. Kearny gibt es sogenannte „Blue-Team-Sitzungen“. Wenn ein Teilnehmer sein Projekt vorstellt, dürfen von den Teilnehmenden (kritische) Anmerkungen gemacht werden, jedoch darf der Vortragende sich nicht rechtfertigen.

      Das entspricht auch einer der Feedbackregeln, die ich immer wieder in Seminaren vor der Auswertung von Videoaufnahmen anschreibe. Derjenige, der Feedback bekommt, darf sich nicht rechtfertigen. Im Gegenzug sollte der Feedbackgeber allgemeingültige Sätze wie „Das war falsch!“ ersetzen durch „Aus meiner Sicht sprechen gegen den und den Punkt folgende Argumente!“

      Wendet man dies auch in Besprechungen an, dann ist der Vortragende gezwungen, die Anmerkungen nur aufzunehmen und sich dazu Gedanken zu machen. Das zeitraubende „Rechtfertigungstribunal“ unterbleibt.

      Vielleicht hilft Ihnen das etwas weiter.

      Liebe Grüße

      Heiko Banaszak

  3. Bei Verspätungen, oder jemanden warten lassen, ist der Finanzielle Faktor zweitrangig. Jemanden warten lassen ist eine Respektlosigkeit, dem wartenden gegenüber. Wenn ich jemanden warten lasse, sage ich damit – „Meine Zeit ist wertvoller als deine“.

    Viele Grüße
    Christian

    1. Lieber Christian,

      Manche machen das genau aus dem Grund… Ich denke da an die ein oder andere Veranstaltung bei der eines der Podiumsmitglieder konsequent zu spät kommt, um einzeln vorgestellt zu werden 😉

      Liebe Grüße

      Heiko

  4. Ich bin erschüttert! So habe ich das noch nie gesehen. Und wenn ich jetzt darüber nach denke fällt mir ein betriebs- und volkswirtschaftlich noch viel gravierenderes Problem ein. Mir ist nämlich schon öfter aufgefallen, dass Mitarbeiter während der Arbeitszeit zur Toilette gehen. Nehmen wir als kalkulatorische Basis den Brauchwasserpreis einer durchschnittlichen saarländischen Kommune und gehen von 25 Litern pro Spülung aus und nehmen weiterhin den durchschnittlichen Preis von ZEWA SOFT, dreilagig,(Handelsgröße 8 Rollen á 150 Blatt) erhalten wir pro Gang Materialkosten von 9,1 Cent. Gehen wir von einer durchschnittlichen Verweildauer von 5 Minuten aus, entspricht dies analog zur vorausgegangenen Gehaltsberechnung
    einem Verlust von 4,18 Euro. Gesamtkosten pro „Sitzung“ : 5 Euro und 9 Cent. Legen wir nun 2 „Sitzungen“ pro Tag und Mitarbeiter zu Grunde, beträgt der jährliche Schaden bei 220 Arbeitstagen sagenhafte 2.239,60 Euro! Für ein mittelständisches Unternehmen mit 500 Mitarbeitern beträgt der Gesamtschaden damit 1.119.800 Euro!

  5. Hallo Heiko,

    ertappt! Ganz so ernst war´s natürlich nicht gemeint. Aber die Vor“redner“ haben´s glaube ich ganz gut auf den Punkt gebracht. Pünktlichkeit ist zunächst einmal der Respekt vor der Zeit des anderen. Und im Kern hast Du natürlich Recht. Und natürlich summieren sich über´s Jahr, die 5 Minuten, die manch einer täglich zu spät kommt, die „verlängerten“ Kaffeepausen etc. Trotzdem sehe ich das insgesamt etwas gelassener. Das liegt vielleicht unseren vielen französischen Kunden 😉
    Aber Ende des Tages muss die Leistung stimmen.
    Schönen Sonntag.

  6. Sehr verehrter Herr Banaszak,

    Sie im Saarland sind doch oft dem übrigen Land ein Stück voraus!?

    Natürlich entstehen durch Verspätungen, WC-Besuche, Zigarettenpausen und sonstigen Abwesenheiten gar keien Kosten!
    Die Mitarbeiter sind doch „eh doo“.

    Das ist auch der Grund dafür, warum Mitarbeiter oft mehr/zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen. Sie sind „eh doo“.

    1. Lieber Herr Wallfanger,

      es stimmt: Wir im Saarland sind dem übrigen Land oft ein Stück voraus!

      Die „Eh doo“-Kosten sind natürlich genau Null Euro. Das gilt jedenfalls für AT-Beschäftigte. Auch meine direkt zurechenbaren Kosten sind 0 Euro je mehr geleisteter Stunde.

      Dennoch oder gerade deshalb schreibe ich meiner Freizeit einen hohen Wert zu. Wenn mir die jemand „klaut“, dann kostet mich das doch etwas: Entgangenen Spaß mit meiner Familie.

      Deshalb bin ich da durchaus kritisch, jedoch nicht pedantisch wie vielleicht der doch etwas polarisierend geschriebener Artikel vermuten lässt :-)

      Danke für Ihren Kommentar!

      Heiko Banaszak

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